Webster’s New World Dictionary beschreibt das englische Wort «endurance» (deutsch Ausharren, Ausdauer oder Durchhaltevermögen) als innere Kraft und als Fähigkeit, zu bleiben, zu bestehen oder weiter zu machen.
Mit diesem Lehrbrief werden wir das Studium des Themas Ausharren abschließen, mit dem wir uns schon in den letzten zwei Briefen beschäftigt haben. Wir lernen beide Seiten der Medaille kennen: den Aufwand und den Segen, die beide mit der Standfestigkeit verbunden sind.
Im letzten Brief „Ausharren durch Ausrichtung auf das Ziel“ habe ich zwei Wege vorgeschlagen, wie man Ausharren lernen kann. Der erste ist, die Entscheidung für Jesus wirklich von ganzem Herzen zu treffen. Barnabas sprach in Apostelgeschichte von einem „Herzensentschluss“ (11,23). Sie entscheiden sich, ohne Wenn und Aber mit dem Herrn zu gehen – egal, wer mit Ihnen geht und wer nicht. Falls es Ihre Freunde nicht tun, Sie tun es trotzdem. Auch wenn es Ihre Familie nicht tut, tun Sie es. Wenn Anfechtungen kommen, geben Sie nicht auf. Das ist ein Herzensentschluss.
Das zweite Prinzip des Ausharrens kommt aus Hebr 11,27, wo wir gesehen haben, wie Mose Ägypten verließ und die Wut des Königs nicht fürchtete, „denn er hielt standhaft aus, als sähe er den Unsichtbaren.“ Moses Glaube bezog sich auf den Unsichtbaren. Wenn wir ausharren wollen, muss uns die unsichtbare Welt realer sein als die sichtbare.
Vor vielen Jahren nahmen wir in London die Tochter eines schwedischen Pastors ins Haus auf. Sie lebte drei Monate bei uns, um Englisch zu lernen, das ich ihr beibrachte. Sie war ein sehr schönes, begabtes Mädchen mit einer schönen Stimme. Ihr Vater war Pastor der größten Pfingstgemeinde in Schweden, und sie war sehr streng erzogen worden.
Als das Mädchen vierzehn war, hörte sie auf das, was alle ihre Freundinnen in der Schule miteinander sprachen – von all den Vergnügen von Theater und Tanz usw. Ihr Interesse wurde immer stärker. Eines Tages ging sie zu ihrem Vater und sagte: „Papa, ich möchte dir danken für alle Fürsorge, die ihr mir gegeben habt, und wie ihr mich erzogen habt. Aber ich möchte dir auch sagen, dass ich von nun an einen anderen Weg gehen werde. Ich möchte herausfinden, was die Welt zu bieten hat. Ich höre, wie all meine Freunde darüber sprechen, und ich will es selber wissen.“ Ihr Vater, der ein weiser Mann war, antwortete: „Barbara, deine Mutter und ich werden für dich beten.“ Er argumentierte nicht. Er sagte ihr nicht, dass es falsch sei. Er sagte einfach: „Wir beten.“
In der folgenden Nacht hatte die Tochter den intensivsten Traum ihres Lebens. In diesem Traum sah sie zwei Städte; die eine war eine große moderne, schöne Stadt. Sie war voll mit Lichtern, die überall aufblitzten und funkelten. Auf der anderen Talseite war eine andere Stadt, die in ein ganz anderes Licht gehüllt war. Es funkelte und glitzerte nicht, sondern war ganz ruhig. Als sie die Stadt mit den glitzernden Neonlichtern anschaute, stellte sich ihr ein Mann vor. Er machte einen gediegenen Eindruck, erschien sehr gebildet und war modisch gekleidet. Er sagte: „Ich möchte Sie durch die Stadt führen.“ Sie nahm das Angebot an und ging mit ihm.
Je weiter sie mit ihm ging, umso hässlicher wurde er. Bald realisierte sie, dass es der Teufel selber war. Als sie mit großem Entsetzen anhielt, gingen die Lichter der Neon-Stadt eines nach dem anderen aus, bis die Stadt in völliger Finsternis da lag. Dann drehte sie sich um und schaute die andere Stadt an, die so hell und klar war, wie sie es schon immer gewesen war. Am folgenden Tag ging sie zu ihrem Vater und sagte: „Papa, ich komme mit dir in die Gemeinde.“ Sie war ein weises Mädchen. Sie hörte, als der Herr sprach.
Manchmal, wenn Lydia und ich in einer modernen Großstadt alle diese Neonlichter und den Verkehr, die Aufregung und das Vergnügen sahen, sprachen wir zu einander: „Erinnerst du dich an Barbaras Traum?“ In einer Nacht werden alle diese Lichter verlöschen. Sehr bald werden sie verlöschen.
In 2 Kor 4 schreibt Paulus:
„Denn das schnell vorübergehende Leichte unserer Bedrängnis bewirkt in uns ein über die Maßen überreiches, ewiges Gewicht von Herrlichkeit, da wir nicht das Sichtbare anschauen, sondern das Unsichtbare; denn das Sichtbare ist zeitlich, das Unsichtbare aber ewig.“ (Verse 17–18). Das sind die ewigen Dinge. Sie ändern sich nicht. Sie sind im Wort.
Bleiben Sie im Wort. Nehmen Sie sich nicht nur fünf Minuten Zeit mit Ihrer Bibel. Lesen Sie. Denken Sie über das Gelesene nach. Glauben Sie es. Leben Sie darin. Bitten Sie den Heiligen Geist, es Ihnen real werden zu lassen. Dann wird dieses Wort Ihnen so real werden, dass nichts auf dieser Welt Sie versuchen oder zur Untreue gegen Jesus Christus verführen kann.
Ich glaube, dass wir das Leben genießen dürfen – mit Sport oder Vergnügen. Ich bin von Gesetzlichkeit befreit worden, worin ich manche Jahre gefangen war. Aber ich will die Welt nicht lieben, noch was darin ist, denn „wenn jemand die Welt liebt, ist die Liebe des Vaters nicht in ihm;“ (1Jo 2, 15). Ich schulde alles dem Vater. Ich will ihm nicht untreu sein. Ich will ihm meine Dankbarkeit und Hochachtung zeigen. Er hat mich zu seinem Kind und zu einem Erben Christi gemacht, und ich will ihm zeigen, dass ich seine Güte schätze. Ich will meinen Blick auf das Unsichtbare richten.
Ich bin ein Realist und lebe ein sehr praktisches Leben. Ich halte gerne Ordnung. Ich beantworte meine Briefe und bezahle meine Rechnungen. Ich stehe mit beiden Füßen auf dem Boden, aber meine Augen sind auf das Unsichtbare gerichtet. Zwischen uns und der Ewigkeit ist nur ein dünner Schleier. Es gibt ein altes, einfaches Lied mit den Worten: „Manchmal habe ich Heimweh nach dem Himmel.“ Nun, das habe ich wirklich. Trotzdem beklage ich mich nicht über die Erde. Gott hat mich besser versorgt, als ich es je zu hoffen gewagt oder gar verdient hätte. Aber ich habe nie vergessen, dass es etwas gibt, was über die Zeit hinaus geht.
Ein anderes altes Lied lautet: „Ich bin entschieden, zu folgen Jesus. Die Welt liegt hinter mir, das Kreuz steht vor mir. Wenn niemand mit mir geht, doch will ich folgen. Niemals zurück …“ Es war in einer Novembernacht im Jahr 1947 in der Stadt Jerusalem, als ich diesen Chorus das erste Mal hörte. Meine Frau und ich waren gerade mit unseren acht Töchtern im Dunkel der Nacht aus unserem Haus geflohen und hatten in einer amerikanischen Mission im Zentrum Jerusalems Zuflucht gefunden. Wir hatten kein Essen, kein Zuhause – nichts. Wir waren mitten in der Nacht ausgezogen und hatten alles zurück gelassen. Als ich zu dieser Mission kam, sangen sie gerade dieses Lied. Es war das erste Mal, dass ich hörte, „...wenn niemand mit mir geht, doch will ich folgen.“
Geben Sie nicht auf
Ich habe noch zwei weitere Dinge zu sagen, die das Durchhaltevermögen aufbauen. Das erste ist so einfach und doch wichtig: Falls Sie versagen – geben Sie nicht auf. Andere haben auch schon vor Ihnen versagt – ich bin einer davon. Einer der fiesesten Tricks des Teufels ist, Sie davon zu überzeugen, dass Sie ein Versager sind und am besten gleich aufgeben. Er will Ihnen einreden, dass Gott Sie aufgegeben hat. Glauben Sie ihm nicht. Er ist ein Lügner.
„Vom HERRN her werden eines Mannes Schritte gefestigt, und seinen Weg hat er gern; fällt er, so wird er doch nicht hingestreckt, denn der HERR stützt seine Hand.“ Ps 37,23–24
Sind Sie schon mal gefallen? Denken Sie daran, dass Sie nicht völlig entmutigt werden, weil der Herr immer noch Ihre Hand hält. Fragen Sie sich, wie David, der den Psalm schrieb, das wusste? Weil er selber gefallen war – schrecklich, tragisch. Er beging Ehebruch und sorgte dafür, dass der Mann getötet wurde, den er betrogen hatte. Und dennoch verzieh ihm Gott und stellte ihn wieder her. David konnte sagen: „Auch wenn du fällst, gib nicht auf. Gott richtet dich wieder auf.“
Es gab auch im neuen Testament einen Mann, der fiel. Sein Name war Petrus. Jesus sprach diese zwei Verse im Wissen, dass Petrus ihn dreimal verleugnen würde:
„Der Herr aber sprach: Simon, Simon! Siehe, der Satan hat euer begehrt, euch zu sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du einst zurückgekehrt bist, so stärke deine Brüder!“ Lk 22,31-32
Was für eine Tiefe in diesen Versen! Jesus betete nicht, dass Petrus ihn nicht verleugnen würde, er betete, dass sein Glaube nicht aufhören würde. Wenn Petrus’ Glaube aufgehört hätte, hätte es keinen Weg zurück gegeben. Wenn Sie also fallen, strecken Sie Ihre Hand aus und lassen Sie sich vom Herrn aufrichten. Und geben Sie nicht auf – weil er Sie auch nicht aufgegeben hat.
Schließlich denken Sie an die Preisverleihung. Nicht alle Fragen des Lebens werden hier und jetzt beantwortet. Manche werden auch in Zukunft offen bleiben. Schauen wir an, was Paulus aus dem Gefängnis an Timotheus schreibt:
„Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt.“ 2 Tim 4,7
Diese drei Errungenschaften gehören zusammen. Wenn Sie am Glauben festhalten, müssen Sie den Kampf kämpfen. Glaube ist ein Kampf. Sie können dem Kampf nicht ausweichen und am Glauben festhalten. Um Ihren Lauf zu vollenden, müssen Sie den Kampf kämpfen. Paulus sagte: „Ich habe alle drei geschafft. Ich habe den Lauf vollendet. Ich habe den Kampf gekämpft. Ich habe am Glauben festgehalten.“ Und dann fügte er hinzu: „Von jetzt an warte ich auf die Preisverteilung.“
„Fortan liegt mir bereit der Siegeskranz der Gerechtigkeit, den der Herr, der gerechte Richter, mir <als Belohnung> geben wird an jenem Tag: nicht allein aber mir, sondern auch allen, die sein Erscheinen liebgewonnen haben." (Vers 8)
Paulus wurde zum Tode verurteilt von einem sehr ungerechten Regenten, dem Kaiser Nero. In diesem Verfahren gab es keine Gerechtigkeit, aber er sagte, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Er sagte, dass es noch ein weiteres Gericht geben wird. Es wird eine Preisverleihung geben. Und der Richter wird absolut gerecht sein. Es ist der Herr selber, und Er wird mir meinen Preis geben, meine Siegeskrone.
Viele Jahre lang waren Preisverleihungen ein wichtiger Teil meiner Schulzeit. Und ich habe viele Preise gewonnen. Aber ein Preis will noch gewonnen werden, und der ist nur für die, die am Glauben festhalten, den Kampf kämpfen und den Lauf vollenden. Ich glaube, Paulus war treu bis zum Schluss, weil er etwas jenseits der Zeit sah. Er hielt Ausschau in die Ewigkeit, und sah die Preisverleihung, wo die Gold-, Silber- und Bronze-Medaillen vergeben werden. Und ich glaube, einige von uns werden überrascht sein, wer die Goldmedaillen erhalten wird. Nicht die Geschwindigkeit in unserem Rennen wird bestimmend sein. Es wird die Treue sein, mit der wir dienten. Der Herr legt den Schwerpunkt auf Treue. Denken Sie an die Worte von Jesus: „Wohl, du guter und treuer Knecht!“ (Mt 25,23).
Für viele von uns werden die vor uns liegenden Tage unser Ausharren auf die Probe stellen. Sie werden nicht einfach sein. Die Verfolgung, die wir erleiden, wird eines vor allem prüfen: unsere Treue – sowohl gegenüber dem Herrn als auch gegenüber dem Leib Christi. Ich möchte meinen Brüdern und Schwestern in die Augen sehen können und sagen: „Ich habe am Glauben festgehalten. Ich war nicht untreu. Ich habe euch nicht verraten.“ Ich glaube, das ist der Test, der vor uns liegt: der Test von Charakter und Treue. Wenn Sie den Test bestehen – Ehre sei Gott – dann werden Sie herauskommen wie im Feuer geläutertes Gold.
Im Dienste des Meisters,
Derek Prince